IQNA

Islamhetze in Coronazeiten: Die zweifelhafte Auswahl deutscher Medienbilder

21:50 - October 05, 2020
Nachrichten-ID: 3003178
Teheran (IQNA)- Wie deutsche Zeitungen die Corona-Angst missbrauchen, um gegen den Islam und seine Anhänger aufzuhetzen. Dabei geht es vor allem um die kopftuchtragende Muslima, die in letzter Zeit mit Inhalten in Verbindung gebracht wurde, mit denen sie offensichtlich nichts zu tun hat.

Seit Jahrzehnten schon werden der Islam und die Muslime in der deutschen Presse angefeindet. Neben vorurteilsbeladenden Inhalten sind es vor allem provokante Titelbilder, die im medialen Krieg gegen die Anhänger der islamischen Religion eingesetzt werden. Vorreiter in diesem langwierigen medialen Kampf ist die Springerpresse, die bis heute keine Gelegenheit auslässt, den Islam niederzumachen und die deutsche Bevölkerung gegen die muslimische Minderheit aufzustacheln. Auch andere Zeitungen schließen sich vermehrt dem islamfeindlichen Propagandazug der Springerpresse an, dabei immer begleitet von vermeintlichen Islamexperten, die als Kronzeugen herhalten.

Inzwischen ist die mediale Islamfeindlichkeit so weit vorangeschritten, dass sie Einzug in die wissenschaftliche Forschung gefunden hat. Zahlreiche Studien in und außerhalb Europas haben die islamfeindlichen Tendenzen in der westlichen Medienberichterstattung zum Vorschein gebracht. Viel genützt hat dies noch nicht: Immer noch werden Themen wie das Kopftuch der Muslima oder die angebliche Gewalt im Quran dazu missbraucht, die hiesige Bevölkerung gegen die muslimische Minderheit in Position zu bringen.


Corona ändert die Methode

Nun erlaubt es das Dauerbrennerthema Corona nicht mehr, den Fokus über einen längeren Zeitraum auf den Islam zu setzen. Diese Situation hat einige Zeitungen dazu bewegt, ihre Methode zu ändern. Die neue Methode ist dabei so perfide, dass sie alles Alte an Hinterlistigkeit übertrifft. Sie besteht ganz allgemein darin, Bilder mit Themen zu verknüpfen, die in keinem Zusammenhang zueinander stehen. Während die Themen sich auf das Coronavirus beziehen, zeigen die verknüpften Bilder erkennbare Muslime – vorzugsweise Frauen mit Kopftuch.

Verstärkt konnten wir in den letzten Wochen und Monaten beobachten, wie Bilder erkennbarer Muslimas – wahlweise aber auch von Flüchtlingen – in die Nähe von Nachrichten gerückt wurden, die in keinem Zusammenhang zu den Inhalten standen.

Angefangen hat das Ganze am 11. August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die bemüht war, ihre Leser mit folgendem Titelbild[1] über das Corona-Infektionsgeschehen aufzuklären:

 

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„Abermals fast 1000 Neuinfektionen in Deutschland“, heißt es in der Überschrift. Unter dem Foto steht geschrieben:

„Seit Beginn der Krise haben sich mindestens 217.293 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Das Robert-Koch-Institut zählt zudem nun insgesamt mehr als 9.200 Todesfälle. Die Zahl der aktiven Infektionen liegt bei etwa 10.000.“

Der Artikel bespricht die erhöhte Reproduktionszahl in Deutschland, den allgemeinen Anstieg der Infektionsfälle in den Landkreisen sowie die Furcht der Experten vor steigenden Infektionszahlen. Insgesamt zeichnet der Artikel ein düsteres Bild des Corona-Geschehens in Deutschland. Welche Rolle dabei die muslimische Frau im Mittelpunkt des Titelbildes spielt, die ungünstig (oder doch günstig?) zwischen zwei Polizisten am Bahnsteig steht, bleibt unklar. Umso offensichtlicher die Verknüpfungen, die der Leser beim Betrachten des Bildes unbewusst herstellt. Die Redakteure der Frankfurter Allgemeinen scheinen sich dessen entweder nicht im Klaren zu sein, oder aber sie wollen genau das bezwecken. Das Bild haben sie bis heute nicht herausgenommen.

Noch am selben Tag veröffentlichte die Frankfurter Rundschau einen Artikel mit der Überschrift: „Offenbach ist Corona-Hotspot in Hessen – Das kommt auf die Stadt zu.“

Zu der bedrohlich klingenden Schlagzeile setzt die Redaktion der Frankfurter Rundschau das folgende Foto[2] auf:

 

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Inhaltlich unterscheidet sich der Artikel kaum vom vorherigen, außer dass der Fokus diesmal auf Hessens Corona-Hauptstadt gelegt wird. Dem Artikel zufolge habe der Offenbacher Krisenstab wegen der erhöhten Infektionszahlen beschlossen, fortan stärkere Kontrollen durchzuführen. Vor allem Maskenverweigerer sollen es damit schwerer haben. Als Hauptgrund für die erhöhten Infektionszahlen nennt der Artikel die Urlaubsrückkehrer aus den Risikogebieten Serbien, Kosovo und Albanien. Auch eine private Busfahrt zur Besichtigung einer Käsefabrik in den Niederlanden soll zu einem erhöhten Infektionsgeschehen beigetragen haben.

Und schon wieder stellt sich der aufmerksame Leser die Frage, welche Rolle dabei die unschuldige Muslima auf dem Titelbild spielt? Warum entscheidet sich die Frankfurter Rundschau ausgerechnet für eine kopftuchtragende Muslima? Was möchte sie ihren Lesern vermitteln? Und was bewirkt ein solches Foto beim Leser? Wir kommen noch darauf zu sprechen.

Doch vorher schauen wir uns ein weiteres Beispiel[3] an:

 

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Dieses Bild vom 20. August stammt aus der Süddeutschen Zeitung. Es erschien unter der Überschrift: „1707 neue Corona-Fälle - höchster Wert seit Ende April“. Der zahlenlastige Artikel bespricht die steigenden Fallzahlen in Deutschland, der Anstieg der durchgeführten Tests sowie die Anzahl der Covid-19-Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Der vergleichsweise sachliche Artikel bedient sich dabei eines Bildes, das in keinem Zusammenhang zu seinen Grundaussagen steht. Das haben die Redakteure der SZ wohl auch bemerkt: Das Bild haben sie kurze Zeit nach Veröffentlichung des Artikels durch ein anderes ersetzt. Wahrscheinlich aber haben eingereichte Beschwerden die Süddeutsche zur Umänderung bewegt.

Anders sieht es beim nächsten Foto aus, das aus der Bildzeitung stammt[4]:

 

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„Tagelanges Warten auf Ergebnisse: Coronatest-Kollaps am Flughafen Tegel“, lautet die Überschrift. Die Aussage vom Kollaps, die in der Überschrift wie eine Tatsache klingt, wird im ersten Satz des Artikels plötzlich zur Frage, wenn es dann heißt: „Droht Berlin ein Test-Kollaps?“ Der Bildzeitungsartikel stellt in der Überschrift eine Behauptung auf, die er im ersten Satz des Textes wieder in Frage stellt.

Dann geht es wie folgt weiter: „Nach der Erweiterung der Risikogebiete auf unter anderem Teile von Spanien und Kroatien scheinen die Teststelle am Flughafen Tegel sowie die auswertenden Labore überlastet.“

Die Teststelle am Flughafen und andere Labore scheinen also jetzt nur noch überlastet, sie sind es nicht sicher. Die mögliche Überlastung der Teststationen wird im weiteren Artikel von einem „Niko G. und Familie aus Prenzlauer Berg“ bestätigt.

Abgesehen von diesem konfusen Inhalt, stellt sich der aufmerksame Leser erneut die Frage, warum sich die Bildzeitung für ein Foto entscheidet, auf dem erkennbar muslimische Frauen sowie Männer orientalischen Ursprungs zu sehen sind. Weder steht das Foto mit der Überschrift in Verbindung, noch verweist es auf die Inhalte des Textes. Die einzigen Ländernamen, die im Artikel fallen, sind Spanien und Kroatien. Warum entscheidet man sich vor diesem Hintergrund für ein solches Titelbild? Versucht die Bildzeitung etwa eine nicht vorhandene Verbindung zwischen der Überlastung der Teststellen und muslimisch aussehenden Menschen herzustellen? Der Verdacht drängt sich auf.

Doch nicht nur Corona-Themen werden mit Muslimen in Verbindung gebracht. Auch Berichte über Drogenfunde müssen – geht es nach dem Spiegel – mit einem Titelbild[5] von einer kopftuchtragenden Muslima begleitet werden:

 

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„Ermittler entdecken 2,3 Tonnen Kokain in einer Woche“, heißt es im Titel.
In den sozialen Netzwerken hat der Spiegel für das Titelbild viel Spott einstecken müssen. Einige Muslime versuchten scherzhaft herauszufinden, an welcher Stelle die unschuldige Muslima auf dem Fahrrad die 2,3 Tonnen Kokain versteckt haben könnte. Einige tippten auf den Rucksack.

Hinter diesen spöttischen Äußerungen, die der Spiegel zu Recht verdient hat, bleibt die ernsthafte Frage nach dem Warum.

Auch wenn die Spiegel-Redaktion das Bild etwas später ersetzt hat: Die Spuren sind geblieben. All jene Leser, die den Artikel vor der Bildänderung gelesen haben, sind Opfer der medialen Manipulation des Spiegel-Journalismus geworden. Womit wir bei den Wirkungen wären.
Die Wirkung auf den Leser

Es ist unbestreitbar, dass die Kombination von Bildern mit emotionalisierten Inhalten fatale Auswirkungen nach sich ziehen kann. Besonders, wenn es sich um Themen handelt, die kontrovers und emotional aufgeladen sind. Corona ist ein solches Thema, das das Potenzial trägt, die Gemüter zu erhitzen. Die monatelange Panikmache der Medien sowie der anschließende Lockdown haben dazu beigetragen. Sie haben ihre Spuren in der menschlichen Psyche hinterlassen.

Bis heute fühlt sich der Einzelne unfähig, sich vom Virus zu befreien. Gleichzeitig fürchtet er sich vor einer Ansteckung. Gefangen in der eigenen Ängstlichkeit, sucht er nach schnellen Lösungen. Normalerweise ist die übliche Reaktion auf Angst entweder wegrennen oder kämpfen, wie die Psychologin Iris Hauth erklärt.[6]

Wegrennen ist angesichts der weltweiten Ausbreitung zwecklos. Das weiß auch der verängstigte Deutsche. Und kämpfen? Auch das ist bei einem unsichtbaren Gegner schwierig – es sei denn, man bringt den unsichtbaren Gegner mit einem sichtbaren in Verbindung. Mit jemandem, der die Schuld für das Virus tragen kann: die Schuld für seine Gefährlichkeit, seiner schnellen Ausbreitung und seiner Resistenz.

Dieser Jemand ist die kopftuchtragende Muslima, die in all den oben erwähnten Artikeln so in Szene gesetzt wird, dass der unaufmerksame Leser keine andere Wahl hat, als sie mit dem bösartigen Virus in Verbindung zu bringen. In der Gruppe der Muslime und der Flüchtlinge – was für viele das Gleiche ist – hat der verängstigte Bürger jetzt einen Schuldigen, den er für seine ihn quälende Panik verantwortlich machen kann.

Inwieweit nun die Medien die Bilder-Text-Verknüpfungen in den genannten Fällen absichtlich eingesetzt haben, um ihre Leser dahingehend zu beeinflussen, lässt sich nicht mit Gewissheit nachweisen. Eines steht jedoch fest: Es braucht schon eine gehörige Portion Naivität, um zu glauben, dass die Auswahl all dieser abscheulich provokanten Bilder[7] zufällig erfolgt:

 

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Die richtige Reaktion der Muslime

Viele Muslime haben sich nach Veröffentlichung dieser Bilder empört. Das ist verständlich, bringt uns an und für sich aber nicht weiter. Wir müssen anfangen, aktiv gegen mediale Provokationen vorzugehen. Hier nun gibt es drei Möglichkeiten des Handelns:

Wir reichen eine Beschwerde bei der entsprechenden Zeitung ein und initiieren eine Beschwerdeaktion. Einige Zeitungen haben ihre provokanten Titelbilder nach dem Erhalt von Beschwerdemails geändert. Wir sehen also, dass es wirkt. Ebenso sollten wir unsere Freunde und Bekannten dazu animieren, Beschwerdemails zu versenden. Je mehr Menschen ihrer Aufregung schriftlich Ausdruck verleihen, desto eher sieht sich die Presse geneigt, ihren Fehler einzugestehen und eine Änderung vorzunehmen. Die Post- und Mail-Adressen der entsprechenden Redaktionen sind schnell gefunden.

Treten solche Fälle öfter auf, sollten wir die entsprechende Zeitung gemeinschaftlich boykottieren. Ein Boykott beinhaltet den Verzicht auf Unterstützung – gleich in welcher Hinsicht. Sowohl der Kauf als auch das Lesen der Zeitung werden bei einem Boykott unterlassen – es sei denn, ich strebe damit an, Falschaussagen aufzudecken oder Behauptungen eines Artikels zu widerlegen. Je deutlicher und öfter eine Zeitung Bilder von Muslimen für ihre sittenwidrigen Ziele missbraucht, desto härter muss unser Boykott ausfallen.

Bleibt die Zeitung bei ihrer feindlichen Haltung, sollten wir sie öffentlich entblößen. Soziale Netzwerke mit Reichweite wie Facebook, Twitter und Co. helfen uns dabei, die medialen Hassbotschaften kenntlich zu machen – dadurch, dass wir die kritischen Beiträge anderer Nutzer teilen oder, was noch besser ist, selbst Beiträge verfassen. Die eigene Auseinandersetzung mit den antimuslimischen Artikeln hilft uns in der eigenen Sensibilisierung für islamfeindliche Hetze, die manchmal sehr latent in Erscheinung tritt.

Das sind nur einige Punkte, wie wir der antimuslimischen Hetze entgegentreten müssen. Wer im Sinne des islamischen Ideals agieren will, sollte diese drei Möglichkeiten des Handelns nicht als Entweder-Oder-Optionen verstehen. Vielmehr gilt es, sie zum richtigen Zeitpunkt in der Kombination zu nutzen, damit der Gegenschlag noch effektiver wird. Das islamische Ideal verlangt aber noch mehr. Es fordert uns auf, darüber nachzudenken, welche weiteren Möglichkeiten und Mittel wir (im Rahmen des Rechts) haben, gegen mediale Islampropaganda vorzugehen. Dazu müssen wir Muslime uns zusammentun und beratschlagen. Am Ende sollten wirksame Strategien auf dem Tisch liegen, die darlegen, wie wir im Einzelfall zu handeln haben.

Notwendig auf diesem Weg des islamischen Ideals sind auch Schulungen für interessierte Muslime oder einzelne Gemeindemitglieder, in denen die medialen Wirkmechanismen zur Sprache kommen. Wer nicht weiß, wie Medien arbeiten und wirken, kann sie nicht entlarven. Wir müssen unsere Feinde erkennen und gemeinsam gegen sie vorgehen.


Möge jeder Einzelne von uns sein Bestes dafür tun!

 

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/coronavirus-abermals-fast-1000-neuinfektionen-in-deutschland-16899517.html ↩︎

https://www.fr.de/rhein-main/offenbach/corona-hessen-offenbach-fallzahlen-covid19-anstieg-90017309.html ↩︎

https://headtopics.com/de/1707-neue-corona-falle-hochster-wert-seit-ende-april-15098827 ↩︎

https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/langes-warten-auf-ergebnisse-coronatest-kollaps-am-flughafen-tegel-72494966.bild.html ↩︎

https://selbstselber.de/belgien-ermittler-entdecken-23-tonnen-kokain-in-einer-woche/ ↩︎

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/news-archiv/meldungen/article/anspannung-und-aggression-die-coronakrise-belastet-die-psyche/ ↩︎

https://www.deutschlandfunkkultur.de/corona-am-main-wenn-offenbach-sich-mit-frankfurt-vertraegt.1001.de.html?dram:article_id=483473 ↩︎

 

offenkundiges.de

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